Jobgarantie: Mehr als nur Arbeit

Langzeitarbeitslosigkeit hat schlimme Folgen. Lukas Lehner ist Ökonom an der Universität Oxford. In seiner Doktorarbeit evaluiert er „Die Marienthal Jobgarantie“. Die Ergebnisse geben Hoffnung.

AK-Report: Worum geht es bei der „Marienthal Jobgarantie“ in Gramatneusiedl?

Lehner: Für einen Teil der langzeitarbeitslosen Menschen gibt es kein Programm, das ihnen hilft, wieder einen Job zu finden. Wir wollten wissen, wie man diesen Personen helfen kann. Ein innovativer sozialpolitischer Vorschlag dabei war die sogenannte Jobgarantie. Das AMS hat gemeinsam mit der Uni Oxford ein Pilotprojekt in Gramatneusiedl gestartet. In unserer Evaluierung untersuchen wir die Auswirkungen auf Langzeitarbeitslose, die wieder einen Job bekommen.

AK-Report: Welche Erwartungen hatten Sie, bevor Sie an die Arbeit gegangen sind?

Lehner: Die Erwartung war, dass eine Jobgarantie die materielle und immaterielle Situation von Menschen
verbessern soll. Der Hauptfokus des Projektes lag dabei nicht auf der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Die Frage stellte sich für unsere Zielgruppe gar nicht. Vielen der Menschen fällt es
aufgrund gesundheitlicher Einschränkung, ihres Alters oder der Familiensituation schwer, auf dem
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

AK-Report: Es sind also individuelle Herausforderungen. Wie kann die Jobgarantie nun helfen?

Lehner: Entweder durch Förderung der Lohnkosten oder durch eine Anstellung bei Projekten eines neu gegründeten sozialen Unternehmens. Die Mehrheit der unterstützten Personen hat dabei in einem der Projekte und nicht bei einem geförderten Unternehmen einen Job gefunden. Und das, obwohl die Lohnkosten im ersten Jahr quasi null waren. Das legt nahe, dass eben die individuellen Probleme der Menschen reguläre Arbeit verhindern. Für diese Gruppe ist die Jobgarantie ein zusätzliches soziales Sicherungsnetz.

AK-Report: Wie hat das Angebot auf die Menschen gewirkt?

Lehner: Den Menschen ist es materiell besser gegangen, sie hatten ein höheres Einkommen und mehr
finanzielle Sicherheit. Interessanterweise haben wir die größten Auswirkungen jedoch bei den sogenannten latenten Funktionen der Arbeit gesehen.

AK-Report: Was meinen Sie damit konkret?

Lehner: Die Menschen sehen durch Arbeit und Beschäftigung mehr Sinn im Leben. Sie haben eine geordnetere Zeiteinteilung, einen höheren sozialen Status, sind aktiver und auch außerhalb der Arbeit besser sozial integriert.

AK-Report: Das klingt vielversprechend. Gibt es auch negative Auswirkungen?

Lehner: Ein möglicher Einwand ist, dass eine Jobgarantie andere Jobs verdrängen könnte. Das haben wir
mit einer sogenannten synthetischen Kontrollgemeinde geprüft, die dem exakten Profil von Gramatneusiedl entspricht. Damit konnten wir die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt feststellen: etwa, dass die Jobgarantie keine Jobs verdrängt, sondern zusätzliche geschaffen hat. Das wiederum hat dazu geführt, dass die Langzeitarbeitslosigkeit de facto abgeschafft wurde.

AK-Report: Welche Arbeitsplätze wurden durch die Jobgarantie neu geschaffen?

Lehner: Beispielsweise entstand ein öffentlicher, gepflegter Garten, wo sich alle Einwohnerinnen und Einwohner von Gramatneusiedl kostenlos Gemüse und Kräuter pflücken können. Jobs entstanden auch in
der Tagesbegleitung von älteren Personen, bei der Renovierung von alten Wohnungen oder in einer eigens gegründeten Tischlerei.

AK-Report: Könnte das Modell auch in anderen Städten, Gemeinden, Regionen oder gar ganz Österreich angeboten werden?

Lehner: Die Ergebnisse sind beeindruckend positiv. Dennoch handelt es sich um ein Pilotprojekt. Nicht nur
aus wissenschaftlicher Sicht wäre es wichtig, das Projekt auch in anderen Gemeinden, Städten oder Bezirken auszurollen und wissenschaftlich zu begleiten, um damit mehr Erkenntnisse zu gewinnen.

Das Interview erschien im AK-Report 4/2023.